Die dreibändige Chronik zu Opposition und Widerstand in der DDR erscheint im Rahmen eines Forschungsvorhabens zu den Menschen- und Bürgerrechtsgruppen Arbeitskreis Gerechtigkeit und Arbeitsgruppe Menschenrechte sowie dem DDR-weiten Sonnabendskreis. Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, sämtliche mit den beiden Bürgerrechtsgruppen und den DDR-weiten Aktionen des Sonnabendskreises in einem Zusammenhang stehenden Dokumente zu sichern, zuzuordnen, zu kommentieren und herauszugeben. Das Anliegen besteht darin, den nachfolgenden Generationen mehr Quellenmaterial, welches tatsächlich im damaligen historischen Geschehen verortet ist, zur Verfügung zu stellen und von späteren subjektiven Reflexionen zu trennen. Zum Mythos geronnene Geschichte soll der Aufklärung nicht länger im Wege stehen, sondern sie bestenfalls ergänzen.
Die Herausgeber der Chronik bitten daher darum, dass ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Arbeitskreises Gerechtigkeit sowie Teilnehmer an Beratungen der Arbeitsgruppe Menschenrechte und des Sonnabendskreises zum IFM-Archiv Kontakt aufnehmen.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens zu den in der Chronik genannten Ereignissen ist das IFM-Archiv darauf angewiesen, dass an den in der Chronik beschriebenen Aktionen und Zusammenhängen beteiligte Gruppen und Einzelpersonen Dokumente und schriftliche Aufzeichnungen dazu zur Verfügung stellen. Bitte setzen Sie sich mit dem IFM-Archiv in Verbindung, wenn Sie Quellenmaterial im Original oder in Kopie zur Verfügung stellen können.
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IFM-Archiv, c/o Gesellschaft für Integrale Ökologie Sozialforschung
Oliver Kloss 015775723464
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Thomas Rudolph c/o Rainer Müller: rainer.mueller@gmx.net
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Exposé
Initiator und Gesamtredaktion: Thomas Rudolph (1987 Mitbegründer der Leipziger Bürgerrechtsgruppe Arbeitskreis Gerechtigkeit sowie im Herbst 1989 DDR-Sprecher der Initiative Frieden und Menschenrechte)
Herausgeber: Oliver Kloss – Politologe, Philosoph;
Rainer Müller – Historiker
Christoph Wonneberger, Nationalpreisträger 2014
„Chronik zu Opposition und Widerstand in der DDR
vom August 1987 bis zum Dezember 1989“
Das Sachbuch zur Geschichte der deutschen Revolution.
Erstmals wird die „Wende“ als ein politisch gewollter Weg transparent gemacht, der schon Jahre zuvor begann.
Erstmals wird die beginnende Vernetzung bereits bestehender Gruppen geschildert, deren Strukturen gezeigt, das taktische Vorgehen beschrieben. Die Wechselwirkungen der politisch motivierten Gruppen mit der Kirche, deren vielfältige Abstufungen der Kooperation bis hin zu unüberwindlichen Spannungen.
Erstmals können Aktionen in den größeren Zusammenhang eingebettet erlebt werden samt ihrer Resonanz DDR-weit und im wachsenden Maße deutschlandweit und international.
Stichtag ist Donnerstag, der 13. August 1987, Demo an der Berliner Mauer am Brandenburger Tor. Dort endet auch die Chronik am 31. Dezember 1989. Sie dokumentiert Tagesereignisse in Originaltexten, Flugblättern, Pressemitteilungen, Tagebucheinträgen. Die Beteiligten erläutern die Handlungszusammenhänge, teilweise werden sie aus Akten rekonstruiert. Kurzbiographien ergänzen die Faktenlage.
Die Auswahl der Ereignisse stellt bis Mitte Oktober 1989 die damalige Informationslage der Koordinierungsgruppe des Arbeitskreises Gerechtigkeit sowie der Koordinierungsgruppe zum Sonnabendskreis dar. Für den Zeitraum danach wurden wichtige Daten aus den Handakten von Krenz, Streletz und Dickel ergänzt bzw. weitere Unterlagen der damaligen Machthaber für die Rekonstruktion der Ereignisse sowie der Archivbestand der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) Magdeburg und der IFM Leipzig sowie weiterer Gruppen und Einzelpersonen herangezogen.
Über den Sonnabendskreis waren die Bürger- und Menschenrechtsgruppen der DDR, ca. 20 Samisdat-Redaktionen, 15 alternative Bibliotheken sowie ca. 20 weitere Friedens- und Umweltgruppen in ca. 50 Orten Ostdeutschlands vernetzt. Sie waren die wesentlichen Träger DDR-weiter Kampagnen der Opposition in Ostdeutschland wie u. a. der Proteste gegen die Inhaftierung von Oppositionellen im Januar 1988, Januar 1989 und September 1989, der Proteste gegen die Politik des rumänischen Diktators Ceaucescu (November 1988), der Aktionen für die Freilassung von Dissidenten der Charta 77– wie Vaclav Havel – (Februar/März 1989) sowie der Auszählungskontrolle der Kommunalwahl in den einzelnen Orten. Für die Koordinierung und den Informationsaustausch der Gruppen des Sonnabendskreises waren im September 1989 fünf Personen vollzeitbeschäftigt tätig, darunter Thomas Rudolph bereits seit Juli 1988, sowie zwei weitere Sprecher des Arbeitskreises Gerechtigkeit, ein Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und ein Mitarbeiter der Umweltbibliothek in Ostberlin.
Der Sonnabendskreis verfügte über ein durch Christoph Wonneberger in der Lukaskirchgemeinde abgedecktes Büro, welches ab Dezember 1988 von den beiden Leipziger Bürger- und Menschenrechtsgruppen Arbeitskreis Gerechtigkeit und Arbeitsgruppe Menschenrechte betrieben wurde.
Die Chronik greift vorrangig auf die aus diesem Büro im IFM-Archiv vorhandenen Materialien und Informationen zurück. Sie ist mithin aus einem Leipziger Blickwinkel mit einem gewissen Schwerpunkt auf Leipzig und den Süden der Republik heraus verfasst. Dabei werden sowohl Leipzig-spezifische Themen und kommunalpolitische Aspekte als auch der DDR-weite Aktionszusammenhang der organisierten Opposition umrissen. Bewusst wird dabei auch auf Texte aus dem gesamten Herrschaftsbereich der Sowjetunion sowie auf Texte, die den Ost-West-Konflikt beleuchten, zurückgegriffen. Es geht den Herausgebern auch darum, die Interaktionen mit Gruppen in West-, Ost- und Ostmitteleuropa offenzulegen und, sofern das damals bekannt war, Auffassungen und Handlungen westlicher Organisationen in das Blickfeld der interessierten Öffentlichkeit und von Historikern zu rücken.
Erstmals werden konspirative Strukturen und das methodische Vorgehen des Teiles der organisierten Opposition, an dem die Grenzfall-Redaktion der Initiative Frieden und Menschenrechte, Teile der Umweltbibliothek Ost-Berlin, der Arbeitskreis Gerechtigkeit sowie ab 1989 auch die Arbeitsgruppe Menschenrechte beteiligt waren, offengelegt.
Erstmals werden handschriftliche Aufzeichnungen von u.a. Klaus Kaden, Christoph Wonneberger, Kathrin Walther sowie Mitschriften von Kathrin Walther zum Sonnabendskreis zugänglich gemacht. Die Chronik greift auch auf Abschriften von durch die Opposition mitgeschnittenen Veranstaltungen zurück. Diese Dokumente stellen eine authentische Ergänzung, oft auch eine Gegenüberstellung von bereits veröffentlichten Protokollen oder Berichten von Dienststellen der Machthaber oder von Gesprächsnotizen kirchlicher Stellen dar.
Das Theologische Seminar in Leipzig wird als einzige Bildungsstätte herauskristallisiert, die der stattlichen Indoktrinierung Gegenwind und Studenten ein geistiges Obdach bot, die aufgrund ihrer politischen Tätigkeit nirgendwo sonst mehr Zulassung fanden und so von der Gesellschaft isoliert werden sollten. Durch die namentliche Nennung der Studenten und deren Aktionen im Rahmen der Opposition schlägt die Chronik somit erstmals das Theologische Seminar als eigenes Forschungsthema im Rahmen der Geschichtsaufarbeitung vor.
Erstmals wird die versuchte Steuerung der Ausreiseantragsteller Leipzigs mittels der Arbeitsgruppe Ausreise des Arbeitskreises Gerechtigkeit über den sogenannten Kaden-Kreis bis zu den Hauskreisen der Ausreiseantragsteller und deren mit dem AK Gerechtigkeit abgestimmten Aktionen offengelegt.
Für den Herbst 1989 wurden die im Zusammenhang des 1. Untersuchungsausschusses des sächsischen Landtages von Michael Arnold, Maik Ringel und Thomas Rudolph gesichteten Unterlagen zur Befehls- und Informationslage sowie zu den Ereignissen selbst nochmals herangezogen.
Der aktuelle Mobilmachungsstand bis hin zur Aufzählung bestimmter Einheiten der NVA und die je aktuelle Stufe der Gefechtsbereitschaft wurde nach innen eingearbeitet. Tagesaktuelle Aufzählungen über Informationsveranstaltungen, Demonstrationen, Festnahmen wegen sogenannter Republikflucht und die Anzahl der Visaerteilungen sowie Ein- und Ausreisezahlen runden die Tagesberichterstattung in einem bisher nicht vorliegendem Umfange ab. Auf Leipzig bezogen wird detailliert wie nie zuvor der Weg der oppositionellen Vereinigungen zu Gesprächen mit den Machthabern und später der Übernahme kommunalpolitischer Verantwortung sowohl in der Stadt als auch im Bezirk Leipzig mit Dokumenten der Opposition belegt.
Neben diesen Schwerpunkten berücksichtigt die Chronik auch den spontanen unorganisierten Widerstand Einzelner und den organisierten Widerstand in kleineren Orten an einzelnen Beispielen.
Der sich im Ergebnis einstellende Blick auf die Gesamtzusammenhänge verlangt nach neuen Bewertungen.
Erstmals auch wird das organisierte Interagieren von Gruppen außerhalb Leipzigs mit den Aktivisten in Leipzig verdeutlicht. Friedensgebete, Öko-Demos (wie den Pleiße-Umzug) und öffentliche alternative Kulturveranstaltungen (wie etwa das Straßenmusikfestival) gab es auch in anderen Städten. Die kleinen Schritte in Leipzig (an denen sich auch kleinere Kirchengruppen beteiligt haben) wurden jedoch zum DDR-weiten, im September und Oktober ´89 auch weltweiten Politikum. Zentralredaktionen von Rom über Paris und London bis Australien ließen sich am Telefon der Sprecher und Sprecherinnen der Arbeitsgruppe Menschenrechte und des Arbeitskreises Gerechtigkeit in der Lukaskirchgemeinde zuerst erklären, was der Stand der Bemühungen um die Freilassung der Inhaftierten ist, und – nachdem es am 25. September 1989 gelungen war, eine erste Großdemo auszulösen – wie sich die Demonstrationen für Freiheit und Demokratie weiterentwickeln.
Erstmals werden die über 100 Mitarbeiter und Mitglieder der beiden Leipziger Menschen- und Bürgerrechtsgruppen AG Menschenrechte und AK Gerechtigkeit mit ihren Arbeitsfeldern und -gruppen sowie deren Aufgaben benannt und öffentlich gemacht.
Der AK Gerechtigkeit wird seine „verdeckten" Mitarbeiter bekanntgeben, um auch deren damaliges Wirken festzuhalten. Die personelle Struktur des Sonnabendskreises, der beteiligten Gruppen, Redaktionen und Bibliotheken sowie des DDR-weiten Arbeitskreises zum Wehrdienstproblem werden vorgelegt.
Im Anhang werden wichtige Texte der IFM aus der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 3. Oktober 1990 der Öffentlichkeit vorgelegt. Dabei handelt es sich zumeist um Texte, an denen Mitglieder der IFM Leipzig mitgearbeitet haben.
Ein vollständiges Register von Orten, Personen, Samisdat, Medien, Organisationen und Einrichtungen soll Historikern und Interessierten ermöglichen, die Chronik auch als Kompendium zu nutzen.
Bisher erschienene Dokumentensammlungen und Sekundärliteratur sind – sofern die Chronik diese tangiert oder sofern Korrekturen notwendig waren – in mehr als 1500 Fußnoten eingearbeitet.
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