Nur der Kundige oder besonders Aufmerksame kann bei der Aufteilung in sechs Themenkreise noch die stilistische Entwicklung erkennen, die der Autor genommen hat. Von Anfang bis Ende thematisiert er untergründig fast immer die Sprache selbst. "Eine Liebesaffäre mit der Sprache", die – als eine lebenslange – all die zwischenmenschlichen Liebesaffären überragt, die zur Sprache kommen.
Insofern trifft der Titel "Sprache spricht mir" den Kern: Es ist die dichterische Grunderfahrung auf der Grenze zum Mystischen, die Erfahrung einer Eigenaktivität der Sprache. Sie ist nie und nimmer durch die philosophische Reflexion, durch Nach-Denken, zu ersetzen. Die gelebte Reflexion des Dichters treibt den sonst so logischen Denker vom Festland an die Küste des Sagbaren: "Aber das Schweigen, das Meer – wie ihm ein Stück Land abgewinnen und darauf bauen?" Eine geniale Sammlung, die in die Literaturgeschichte eingehen wird.
SPRACHE SPRICHT MIR
Liebe ich nichts als Liebe
und lebe aus Leben
Sprache spricht mir
dass ich sie spreche
Einheit eint mich
allen die einzeln wie ich
wenn ich schweige
und ende und
weiter suche
weil ich gefunden.
Liebe ich nichts als Liebe
und lebe aus Leben
Sprache spricht mir
dass ich sie spreche
Einheit eint mich
allen die einzeln wie ich
wenn ich schweige
und ende und
weiter suche
weil ich gefunden.
Auf dem Einband ist ein Gemälde von Heinz Heinrichs, einem von dreien im 2. Weltkrieg gefallenen Onkeln von Johannes Heinrichs, zu sehen. Heinz Heinrichs hat das Bild als etwa 22-Jähriger gemalt, nicht lange vor seinem Tod mit 23 Jahren, am 21. Februar 1944, an der Ostfront, wahrscheinlich unweit von Stalingrad. Das Bild ist ein Akt stillen Protestes gegen den Rassismus der Nazis und zugleich das Dokument eines der Millionen unfreiwilligen Soldatentode für das Regime […]. Ihm liegt das als Volkslied bekannte Gedicht von Nikolaus Lenau "Die Drei Zigeuner" zugrunde.
Johannes Heinrichs, geboren 1942 in Duisburg-Rheinhausen, war bis 2002 als Nachfolger von Rudolf Bahro Professor für Sozialökologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seither lebt er als freier Schriftsteller in Berlin und Duisburg und hält Gastvorlesungen in aller Welt. Er publizierte über 20 Bücher zur systematischen Philosophie und Sozialtheorie sowie zahlreiche Aufsätze in Zeitungen und Fachzeitschriften. Diese „Summa poetica“ versteht sich als vollständige „Zwischensumme“ meiner bisherigen Lyrik, einschließlich der Weglassungen, auch einiger schon einmal gedruckter Gedichte. Editorische Hinweise auf frühere Drucke finden sich unter
www.johannesheinrichs.de/Literarisches.
www.johannesheinrichs.de/Literarisches.